Gläubigerforderungen in der Insolvenz des Schuldners.

Eine Insolvenz eines Schuldners ist ärgerlich. Sie bedeutet: man verliert Geld. Doch nicht jede Forderung ist

vollständig verloren. Es gibt einige Tipps und Tricks, mit denen man den Ausfall minimieren kann.

Von unserem regBRAINs-Berater Harald Brennecke

1. Akteneinsicht nehmen.

Die Insolvenzakten ergeben häufig Hinweise, wie es um den Schuldner tatsächlich bestellt ist. Selbst bei einer Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse besteht ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht für den Gläubiger fort (BGH, Beschluss vom 4. April 2006, NZI 2006, 472)

2. Anfechtungsrechte selbst ausüben.

Durch Insolvenzanfechtung kann Vermögen, das der Insolvenzschuldner vor Antragstellung an andere verschenkt oder auch für eine angemessene Gegenleistung bezahlt hat, zur Insolvenzmasse zurückgeholt werden. Während bei Firmeninsolvenzen das Anfechtungsrecht durch den Insolvenzverwalter ausgeübt wird, steht dies bei Insolvenzen von Verbrauchern den Gläubigern selbst zu.

Aus der Anfechtung resultierende Rückgew.hranspruch sind innerhalb von drei Jahren nach der Insolvenzeröffnung geltend machen, danach können aber etwaige Leistungsansprüche mit der Einrede der Verjährung verweigert werden (§ 146 InsO). Eine Anfechtung ist auch gegen vollstreckbare Schuldtitel (insbesondere rechtskräftige oder vorläufig vollstreckbare Urteile, Arrestbefehle und einstweilige Verfügungen, Prozessvergleiche, vollstreckbare Anwaltsvergleiche, Kostenfestsetzungsbeschlüsse und Vollstreckungsbescheide) oder Handlungen, die durch Zwangsvollstreckung erwirkt worden sind, möglich. Anfechtbar sind insbesondere Schenkungen des Schuldners in den letzten vier Jahren vor Insolvenzantragsstellung. Dabei kann es sich auch um Teilschenkungen handeln oder: gehandelt haben, zum Beispiel wenn ein Gegenstand deutlich unter Wert verkauft wurde (BGH NJW 1953, 501). Anfechtbar sind beispielsweise auch Sicherungen (Bürgschaften, Forderungsabtretung TTC), zu denen sich der Schuldner erst verpflichtet hat, als die zu sichernde Forderung bereits bestand. Auch eine Unterlassung ist anfechtbar. Hier ist die Anfechtung für Tatbestände, die bis zu zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag liegen, möglich (§ 135 InsO). 

Wird einem stillen Gesellschafter ein Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags seine Einlage ganz oder teilweise zurückgew.hrt, ist auch diese Auszahlung anfechtbar (§ 136 Abs. 1 InsO).

Anfechtbar sind letztlich (bis zu 10 Jahre zurückliegende) Zahlungen und Leistungen an Gläubiger, die die Insolvenzlage des Schuldners kennen.

Dies kann insbesondere Banken treffen, die Tilgung und Zinszahlungen entgegennehmen, obwohl sie die finanzielle Schieflage ihres Kunden bestens kennen. In diesem Fall sind auch bestehende Globalzessionen oder Raumsicherungsverträge angreifbar, soweit die Forderungen und Sicherungswerte nach der Kenntnis der Rechtslage entstanden sind. Umgekehrt muss dringend davor gewarnt werden, Geschäfte mit Geschäftspartnern zu machen, wenn einem deren Schieflage bekannt ist – selbst gesicherte Forderungen können dann verloren gehen.

3. Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung.

Forderungen aus unerlaubter Handlung resultieren aus vorsätzlicher Verletzung fremder Rechtsgüter. Es handelt sich um Schadenersatz- oder Haftungsansprüche für rechtswidriges Verhalten. Diese Ansprüche sind gem. § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen.

Während Geldstrafen und Bußgelder im Insolvenzverfahren nicht untergehen können, bedarf es bei anderen Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung einer ausdrücklichen Anmeldung unter Berufung auf den Rechtsgrund der vorsätzlich unerlaubten Handlung.

Ist der Schuldner eine Kapitalgesellschaft, kann eine solche Forderung (zusätzlich zur Anmeldung in der Insolvenz der Gesellschaft) gegen den gesetzlichen Vertreter persönlich geltend gemacht werden.

Ist der Schuldner ein Verbraucher oder eine Einzelfirma, sollte man diese Forderungen ausdrücklich als Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung zur Insolvenztabelle anmelden. Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung unterfallen nicht der Restschuldbefreiung.

Ist der Schuldner eine Kapitalgesellschaft, kann eine solche Forderung (zusätzlich zur Anmeldung in der Insolvenz der Gesellschaft) gegen den gesetzlichen Vertreter persönlich geltend gemacht werden.

4. Forderungen, die nach Insolvenzantragstellung entstanden sind.

Befindet sich der Schuldner bereits in einer Insolvenz und entstand die Forderung erst nach der Antragstellung, fällt die Forderung nicht in die Insolvenz. Handelt es sich um eine Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung, kann nun bis auf einen niedrigeren Sockelbetrag auch in die erweiterten pfändbaren Bezüge gepfändet werden. Dies ist gerade hier wichtig, da alles was über den Pfändungsfreibetrag hinausgeht, bereits dem Insolvenzverwalter im laufenden Insolvenzverfahren zusteht. Der Insolvenzverwalter kann jedoch für Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung, die Insolvenzforderungen sind, nicht in diesen zusätzlichen Betrag pfänden. Dieser zusätzliche Betrag steht nur Gläubigern zu, die Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung außerhalb der Insolvenz erlangt haben.

Die Vollstreckung in die erweiterten Barbezüge des Schuldners ist also nur neuen Gläubigern von Unterhalts- und Deliktsansprüchen gestattet, die am Insolvenzverfahren nicht teilnehmen. (BGH, Beschluss vom 27.09.2007, NZI 2008,50)

Das bedeutet also, dass Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung, die nach Insolvenzantragsstellung entstanden sind über den normalen Pfändungsfreibetrag hinaus bis zu einem niedrigeren Freibetrag gepfändet werden können. Der Insolvenzverwalter kann dagegen für Forderungen aus vorsätzlich unerlaubter Handlung nur bis zum normalen Pfändungsfreibetrag pfänden.

5. Arbeitnehmer: Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.

Geht ein Arbeitgeber in die Insolvenz, enden die Arbeitsverhältnisse dadurch nicht automatisch. Wird das Unternehmen auf einen neuen Inhaber übertragen, der das Unternehmen (auch unter neuem Namen) fortführt, haben die Mitarbeiter des bisherigen Unternehmens einen Anspruch gegen den neuen Unternehmer auf Übernahme des Arbeitsverhältnisses nach § 613a BGB.

Führt der Schuldner selbst das Unternehmen in der Insolvenz fort, weil der Insolvenzverwalter dem Schuldner das Unternehmen in der Insolvenz freigibt (was insbesondere bei Einzelunternehmen häufig vorkommt), haben die Mitarbeiter den selben Anspruch auf Übernahme ihrer Arbeitsverhältnisse.

6. Geschäfte mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter.

Oft besteht ein Interesse, eine Geschäftsverbindung mit einem in die Insolvenz gegangenen Unternehmen fortzuführen. In der vorläufigen Insolvenz des Unternehmens (vor Insolvenzeröffnung) ist zu beachten, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter keine Forderungen gegen die Masse begründen kann – es sei denn es wäre ganz ungewöhnlicherweise ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter. Neue Forderungen sind daher nur dann sicher, wenn sich der vorläufige Insolvenzverwalter ausdrücklich selbst für die Forderung gut sagt. Tut er dies nicht, besteht das Risiko, dass er die neue Forderung auch dann als bloße Insolvenzforderung in der Insolvenz angemeldet werden muss, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter dem Geschäft zugestimmt hat.

Harald Brennecke,
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Brennecke & Partner Rechtsanwälte